Wie wichtig ist es für Dich als Musiker oder Musikant angesehen zu werden? Ich denke für viele Interpreten ist das sehr wichtig. 

Als Musiker genießt man einen gewissen Schutz bezüglich der Wertigkeit seines Spiels. Auch gehen Musiker davon aus, dass sie bezahlt werden.

Als Musikant bist Du vogelfrei. Dein Spiel berührt den Zuhörer oder eben nicht. Kein Kritiker wird je einen Musikanten „auseinandernehmen“ – einen Musiker jedoch sofort. Das liegt meist daran, dass man einem schlechten Musikanten zugesteht – „Hauptsache es macht Spaß“. Also geht man bei einem Musikanten davon aus, dass er nicht bezahlt wird, da er das ja gerne tut.

Man glaubt bis heute eine gewisse Wertigkeit der dargebotenen Musik mit der Unterscheidung E- oder U-Musik (ernste Musik und Unterhaltungsmusik) anheften zu können. Klassische Musik wird immer der E-Musik zugeordnet, egal wie gut oder schlecht sie gespielt ist. Also „ernste Musik“. Bedeutet das ernst zu nehmende Musik oder ernst dreinschauen beim Musizieren? Ich weiß es nicht und möchte es auch gar nicht wissen. Die Volksmusik wird immer der U-Musik zugeordnet ob gut oder schlecht gespielt. E-Musik und aktuelle Mainstream-Musik, sowie Dixie und Jazz liegen zwischen den Welten. Bei dem Blasmusiker tue ich mir besonders schwer, oder hat schon mal jemand den Begriff Blasmusikant gehört?

Von einem Musiker erwartet man, dass er „alles drauf hat“. Interpreten klassischer Musik erwarten dass man sie Musiker nennt. Wenn das nicht ausreicht möchte man gerne als Künstler angesehen werden. Klassische Musiker haben den Vorteil, dass schon der Komponist festgelegt hat, ob sein Stück eine lustige oder schwere Stimmung transportieren soll. Somit kann man sich immer darauf berufen – „das steht so in den Noten geschrieben“. Lediglich bei der Auswahl der Stücke besteht eine Entscheidungsmöglichkeit. Auch um die Melodieführung braucht man sich keine Gedanken zu machen – das hat schon ein Anderer getan. Jedoch erfordert eine solche Art des Spielens ein hohes technisches Können. Musiker die sich dem Mainstream verschrieben haben legen sehr viel Wert auf die sofortige Wiedererkennung des Songs und schrauben sehr lange an den Sounds der Gitarre oder des Keyboards herum bis auch der Klang fast identisch zum Original ist. Auch die Solis sollten immer so authentisch wie möglich nachgespielt werden. Diese Musik ist immer reproduzierbar.

Wobei in den letzten Jahren ein frei gespieltes Solo die zustimmende Aufmerksamkeit der Zuhörer auf sich zieht. Aber spätestens da erschwert sich die Zuordnung zum Musiker oder Musikanten immer mehr.

Im Gegensatz dazu steht der Musikant. Er kann die Situation wahrnehmen, seine Melodieführung, Harmonisierung und Rhythmisierung in Echtzeit verändern (Real Time Composition). Auch kann der Musikant, wenn nicht unbedingt an Noten gebunden, in körperlichen Kontakt mit seinem Publikum treten und dieses einbinden.

Der Musikant suggeriert leider zu oft einen Volksmusikant, der sich nur zu spielen traut wenn er schon einen Schoppen gemacht hat. Oftmals bedient sich der Musikant wirklich nur einiger weniger Akkorde und spielt damit ohne Skrupel jedes ihm gekannte Lied mit drei Akkorden. Das ist gleichermaßen bei den typischen Lagerfeuer-Gitarristen sowie bei den Quetschenspielern. Aber auch der stolze Besitzer eines modernen Arranger-Keyboards (Begleitautomat) wundert sich oft darüber, dass trotz einer ganzen Armada von digitalen Begleitspuren der gespielte Song noch „eigenartig“ klingt. Einfach mal „Ausdünnen“ der Spuren?. Oft liegt es aber auch daran, dass viele Musikanten Lieder und Songs aus einer Zeit nachspielen möchten, in welchen unzählige Harmonien vorhanden sind. Ja es wimmelt darin nur so von Akkorden. Viele Musikanten stört das nicht. Da werden Evergreens, Volkslieder sogar ohne Einsatz einer Mollparallele gespielt. Deshalb möchten Viele nicht als Musikanten bezeichnet werden.

Würden sich manche Musikanten mehr den neuen Kompositionen widmen, wäre das viel einfacher denn diese bestehen oft aus sehr viel Text, jedoch nur aus drei Harmonien. Nun ist da wieder das Problem: Sich als Musikant bezeichnen zu lassen, geht gar nicht. 

Neue elektronische Musik lässt sich auch nur sehr schwer in Schubladen stecken. Während auf der einen Seite oftmals wiederkehrende Pattern in einem Sequenzer eingesetzt werden, gewinnt der Einfluss auf die Klänge und deren Modulation immer mehr an Bedeutung. Wenn der Klang durch Verändern der Filter und Modulationen in Echtzeit verändert werden ist diese Musik kaum reproduzierbar.

Ich kenne sehr viele, hauptsächlich gute Instrumentalisten, die sich sehr gerne als Musikanten bezeichnen lassen. Diese genießen die absolute Freiheit ihres Spiels, überzeugen mit Ihrer Echtzeitkomposition und freuen sich auf die Emotionen die sie wecken können. Und dabei spricht man schon öfter mal von Kunst. Auch kenne ich viele Zuhörer die gerade dieses Einfühlungsvermögen in die jeweilige Situation sehr schätzen.

Auch kenne ich viele Musiker, bei welchen dieser Freiheitsdrang nicht so ausgeprägt ist. Man kann sich viel besser vorbereiten und den Focus auf die Perfektion des Spiels legen. Viele Zuhörer danken dies durch die Vorhersehbarkeit und Wiedererkennung des Spiels.

Jede Art von Musik kann faszinierend oder enttäuschend sein, wenn gut oder schlecht gemacht. Viele Interpreten bewegen sich ständig zwischen diesen Welten und möchten sich auch nie fest zuordnen.